Flexibilitätswende – Einbindung industrieller Energiesysteme in regionale Strommärkte zur Stabilisierung des Stromnetzes

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Reinert, Christiane © Urheberrecht: Lehrstuhl fuer Technische Thermodynamik der RWTH Aachen

Name

Christiane Reinert

Gruppenleitung Energiesystemtechnik (abwesend)

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+49 241 80 98179

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Hintergrund

Um die Ziele der Energiewende zu erreichen, forciert die Bundesregierung insbesondere den Ausbau erneuerbarer Energien. Durch die damit einhergehende fluktuierende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien wird viel Strom mit fluktuierender Verfügbarkeit in das Stromnetz eingespeist. Da Strom aus erneuerbaren Energien Vorrang bei der Einspeisung in das Stromnetz hat, sinkt die Wirtschaftlichkeit von Großkraftwerken und diese werden teilweise von den Betreibern stillgelegt. Großkraftwerke erbringen jedoch im heutigen Stromnetz einen wichtigen Beitrag zur Systemstabilität und Versorgungssicherheit. Zusätzlich führt die teilweise starke räumliche Trennung von regenerativer Stromerzeugung und Stromverbrauch, beispielsweise beim Windstrom, zu weiteren Herausforderungen für das Übertragungsnetz.

Um das Stromnetz in Deutschland derzeit stabil zu halten, muss bereits immer mehr in die Stromerzeugung eingegriffen werden. Deshalb werden effiziente Marktmechanismen zur Bewahrung der Netzstabilität benötigt. Die heutige Struktur der zentralen Strom- und Regelmärkte ist dahingehend zu hinterfragen, ob zentrale Märkte für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende ein Hindernis darstellen. Daher wurden im Rahmen des Projekts Flexibilitätswende regionale Strommärkte sowie deren Einfluss auf die Bereitstellung von Flexibilität durch die Marktteilnehmer untersucht.

 

Projektziel

Bereitstellung von Flexibilität in regionalen Strommärkten Urheberrecht: © Lehrstuhl für Technische Thermodynamik Im Projekt Flexibilitätswende werden regionale Strommärkte entwickelt, so dass Marktanreize für industrielle Energiesysteme geschaffen werden, um Flexibilität bereitzustellen.

Ziel des Projektes Flexibilitätswende war die Entwicklung von Methoden zur Optimierung und Bewertung von Flexibilitäten aus Sicht von industriellen Marktteilnehmern und aus Sicht des Marktes. Dabei wurden industrielle Energiesysteme als vielversprechende Markteilnehmer zu Bereitstellung von Flexibilität untersucht. Somit konnten die Flexibilitäten im industriellen Sektor effizient genutzt werden, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten und gleichzeitig ein zukunftssicheres Marktdesign sicherzustellen. Zur Erreichung des Projektziels wurden neue mathematische Optimierungsmodelle erarbeitet und analysiert sowie neue Algorithmen zur Lösung der Optimierungsprobleme entwickelt, implementiert und anhand von Fallstudien bewertet. Als Anwendungsbeispiel diente hier die Flexibilisierung verschiedener industrieller Energiesysteme, die an verschiedenen Strommärkten teilnahmen.

 

Ergebnisse

Im Projekt Flexibilitätswende hat der LTT mehrere Methoden für die Modellierung, Optimierung und Bewertung der Flexibilität industrieller Energiesysteme an Strom- und Regelenergiemärkten entwickelt.

In Flexibilitätswende wurde eine Methode entwickelt, um Flexibilität optimal am Day-Ahead Markt, Intraday-Markt und Regelenergiemarkt zu vermarkten. Dabei stellte vor allem die Integration des kontinuierlichen Handels auf dem Intraday-Markt in eine integrierte Optimierung an sequentiellen Strommärkten eine Neuheit dar. Während Optionspreistheorie zur Abschätzung der Erlöse am Intraday-Markt verwendet wurde, bestimmte eine stochastische Optimierung eine optimierte Gebotsstrategie und allokierte die flexible Kapazität. Die betrachtete Fallstudie eines flexiblen industriellen Energiesystems zeigte, dass koordiniertes Bieten in allen drei Märkten zu deutlichen Kostenreduktionen im Vergleich zu der Teilnahme an nur einem oder zwei Märkten führt.

Weiterhin wurde in Flexibilitätswende eine Methode entwickelt, um industrielle Energiesysteme zusammen mit Batch-Produktionssystemen für die Teilnahme am Regelenergiemarkt zu optimieren. Somit konnten weitere Flexibilitätspotenziale zur Stabilisierung des Stromnetzes gehoben werden, indem der Betrieb und damit der Energieverbrauch des Produktionssystems zeitlich verschoben wurde. Die Methode basierte auf stochastischer Optimierung und identifizierte einen festen Produktionsplan, der dem industriellen Energiesystem die optimale Flexibilität für die Teilnahme am Regelenergiemarkt gab.

Abschließend wurden Flexibilitätsoptionen für industrielle Energiesysteme unter Berücksichtigung unsicherer Zukunftsszenarien ermittelt. Als Basis der Analyse wurden strom- und wasserstoffbasierte Investitionsoptionen untersucht, die zur Dekarbonisierung des Energiesystems beitragen. Diese Optionen erlaubten somit eine direkte oder indirekte Elektrifizierung des industriellen Energiesystems, die eine Flexibilisierung auf unterschiedliche Art und Weise ermöglichten. Mittels Strukturoptimierung wurden hoch-effiziente Wärmepumpen in einem breiten Bereich von Strom- und Wasserstoffpreisen als kosteneffiziente Option identifiziert.

Insgesamt konnten die Methoden und Ergebnisse des Projekts Flexibilitätswende dazu beitragen, den Betrieb und die Planung zukünftiger industrieller Energiesysteme zu optimieren, so dass Flexibilitätspotenzial gehoben werden konnten.

 

Relevante Publikationen

  • Nolzen, N., Reinert, C., Frohmann, J., Tillmanns, D., Bardow, A. (2023). Design of low-carbon multi-energy systems in the SecMOD framework by combining MILP optimization and life-cycle assessment. Comp. Chem. Eng., 108176. https://doi.org/10.1016/j.compchemeng.2023.108176
  • Nolzen, N., Ganter, A., Baumgärtner, N., Leenders, L., Bardow, A. (2022). Where to Market Flexibility? Optimal Participation of Industrial Energy Systems in Balancing-Power, Day-Ahead, and Continuous Intraday Electricity Markets. arXiv preprint arXiv:2212.12507. https://arxiv.org/abs/2212.12507
  • Leenders, L., Starosta, A., Baumgärtner, N., Bardow, A. (2020). Integrated scheduling of batch production and utility systems for provision of control reserve, in: ECOS 2022 – 33rd International Conference on Efficiency, Cost, Optimization, Simulation and Environmental Impact of Energy Systems, Osaka, 2020, pp. 712–723. https://doi.org/10.3929/ethz-b-000423722.
 

Förderer

BMWi Urheberrecht: © BMWi

Das Projekt wurde im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.