Analytische Stoffdatenvorhersagemodelle für komplexe Systeme
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Die Abbildung unten zeigt einen schematischen Zyklus einer Multi-Skalen-Modellierung chemischer Systeme. Das ultimative Ziel ist es, Modelle zu entwickeln, die Eigenschaften auf einer beliebigen Skala liefern können und dazu experimentellen Daten oder Informationen von Modellen auf anderen Skalen nutzen.
Mit dem Design eines Stoffes bezeichnet man die Identifikation eines chemischen Systems, bei dem bestimmte Eigenschaften gewünschte Zielwerte oder Wertebereiche erfüllen. Wie man anhand der Abbildung sieht, führen wir die Modellierung auf verschiedenen Längen- und Zeitskalen durch. Dies ist einerseits notwendig, weil ein Verständnis vieler makroskopische Phänomene erst durch die Untersuchung ihrer zugrunde liegenden mikroskopischen Prozesse möglich wird. Andererseits sind experimentelle Messungen einiger Eigenschaften entweder unmöglich oder sehr schwierig, so dass man sich für ihre Vorhersage auf Modelle verlassen muss, die diese Eigenschaften liefern obwohl sie selbst an einem anderen Satz von Eigenschaften auf anderen Skalen validiert wurden.
Vorhersage von Stoffeigenschaften (Vorwärtsmodellierung)
Es wird versucht, die Vielfalt der Eigenschaften eines chemischen Systems, die mit einem Minimum an verfügbaren Informationen über das System vorhergesagt werden können, zu maximieren. Durch eine Erhöhung der Qualität dieser Vorhersagen ergibt sich allmählich ein realistischeres Bild des Zielsystems, was wiederum eine große Hilfe in verschiedenen Phasen des Gesamtprozess-Designs sein wird.
Ein die bestehenden Modelle herausforderndes Phänomen ist die Löslichkeit von Zellulose, Lignin und anderen Substanzen mit komplexen Strukturen, die mittels unterschiedlicher Lösungsmittel aus Holz gewonnen werden. Auf Grund ihrer Größe und des komplexen chemischen Aufbaus sind diese Substanzen oft sehr flexibel. Ihr Konformationsraum ist nicht anhand von einfachen Suchmethoden effektiv zu erkunden. Dennoch konnte in diesem Projekt ein Screening von ionischen Flüssigkeiten zur Zelluloseauflösung durchgeführt werden, welches interessante Hinweise für potentielle neue Lösungsmittel lieferte.
Andere Beispiele, wo die aktuellen Modelle keine ausreichend genauen Vorhersagen liefern können, sind Lösungen mit stark und mehrfach assoziierenden Komponenten, d. h. Mischungen, deren Komponenten zyklische Cluster bilden. Solche Wasserstoffbrückenbindungen sowie ionische Wechselwirkungen sind zwei Beispiele für Effekte, deren Modellierung noch nicht immer zufriedenstellend möglich ist.
Strukturelle Analyse von Mischungen
Eine der wichtigsten Eigenschaften eines jeden Gemischs ist der Konformationsraum seiner Moleküle. Für ein bestimmtes Molekül kann dies als eine Teilmenge des 3N-dimensionalen kartesischen Raum ausgedrückt werden, wobei N die Anzahl der Atome in dem Molekül bezeichnet. Jeder Punkt in diesem Raum ist eine Nx3 Matrix und stellt eine einzige Konformation dar. Diese Informationen sind entweder gar nicht oder nur sehr schwer experimentell zu erhalten. Allerdings sind diese Daten von entscheidender Bedeutung, wenn man Modelle entwickeln will, die die Struktur des Moleküls mit seinen makroskopischen Eigenschaften verbinden können.
Wir verwenden Molekulardynamik-Simulationen von Mischungen und scannen damit ihren Konformationsraum. Die Effizienz, mit der die Simulationen ausgeführt werden und die Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse sind wichtige Parameter, die optimiert werden müssen, wenn die erhaltenen Informationen über den Konformationsraum später in anderen Modelle verwendet werden und zu erfolgreiche Vorhersagen führen sollen.
Thermodynamische Eigenschaften komplexer fluider Systeme
Die thermodynamische Modellierung von chemischen Systemen ist die Grundlage für Vorhersagen einer großen Anzahl von Eigenschaften. Dazu gehören zum Beispiel Verteilungskoeffizienten und Dampfdrücke, die bei der Weiterentwicklung von extraktiven bzw. destillativen Trennverfahren eine wichtige Rolle spielen. Andere Beispiele sind die Oberflächenspannung und Viskosität, wo eine sinnvolle thermodynamische Theorie aufschlussreiche Vorhersagen liefern kann.
Eines der Modelle, die für die Berechnung der thermodynamischen Eigenschaften der Mischungen benutzt werden, ist COSMO-RS. Hier ist jedes Molekül in einem Hohlraum mit einer definierten Oberfläche positioniert. Mit quantenmechanischen Berechnungen werden dann die Ladungsverteilungen auf den molekularen Oberflächen berechnet. Neben elektrostatischen Wechselwirkungen werden auch andere Faktoren wie die Entropie, Wasserstoffbrückenbindungen, usw. berücksichtigt. Diese werden durch teilweise empirische Beziehungen mit an experimentelle Werte angepassten Parametern berücksichtigt. Weitere Informationen finden Sie auf der Website von Cosmologic.
Statistische Analyse von Struktur-Eigenschaft Datensätzen
Wenn die untersuchten Phänomene so kompliziert sind, dass eine analytische Modellierung des Systems nicht möglich ist, können Quantitative Struktur-Eigenschafts-Beziehungen (QSEB, meist englisch QSPR oder QSAR) verwendet werden, um eine Korrelation zwischen Struktur-Deskriptoren des Moleküls und der entsprechenden Eigenschaft von Interesse zu etablieren. Ein Beispiel ist die Schmierfähigkeit einer Flüssigkeit, deren Komplexität eine vollständige physikalisch-analytische Modellierung unmöglich macht. Mit COSMO-RS wurden in Kooperation mit dem IFAS aus der Molekülstruktur Deskriptoren der Form und der Ladungsverteilung der Moleküle berechnet. Diese wurden dann mit experimentellen Schmierfähigkeiten korreliert, um ein Modell für deren Vorhersage für Kraftstoffkomponenten zu enthalten.