ChemTraYzer - Modellierung chemischer Prozesse mittels molekulardynamischer Simulationen

Ansprechpartner

Kopp, Wassja © Urheberrecht: Lehrstuhl fuer Technische Thermodynamik der RWTH Aachen

Name

Wassja Kopp

Modellierung und Design molekularer Systeme

Telefon

work
+49 241 80 93492

E-Mail

E-Mail
 

Die akkurate Beschreibung von thermodynamischen Moleküleigenschaften und Reaktionskinetiken ist ein entscheidender Bestandteil des Designs und der Optimierung von neuen und von bestehenden Verbrennungsmotorkonzepten. Allerdings ist die Erstellung von Reaktionsmodellen, die die Verbrennungsmechanismen eines Brennstoffs abbilden, häufig ein langwieriger Prozess, da hunderte von Spezies und Reaktionen identifizert und quantifiziert werden müssen. Reaktionskinetiken und thermodynamische Moleküleigenschaften können mit Experimenten oder mit ab-initio Methoden bestimmt werden. Beide Herangehensweisen sind angesichts der Vielzahl von zu quantifizierenden Spezies und Reaktionen mit einem hohen Zeitaufwand verbunden.

 

Mit reaktiven molekulardynamischen (rMD) Simulationen können komplexe, auch eine Vielzahl von Spezies umfassende Mechanismen effizient und parallisiert untersucht werden. Typische Anwendungsbeispiele von rMD sind nicht nur Verbrennungs- und Zündprozesse, sondern z. B. auch Polymerisation, Katalyse oder Bioprozesse. Die Berechnung von Energien und Kräften mit den rMD Simulationen zugrundeliegenden Kraftfeldern ist um Größenordnungen schneller als mit ab-initio Methoden, die resultierenden Kinetik- und Thermodynamikdaten sind allerdings auch weniger genau.

  Schematischen Ablauf einer ChemTraYzer simulation. Urheberrecht: © Lehrstuhl fuer Technische Thermodynamik der RWTH Aachen

In unserem Softwarepaket „Chemical Trajectory AnalYzer” (ChemTraYzer) [1,2,3] werden rMD Simulationen verwendet um Reaktionspfade und Netzwerke zu finden. Durch die automatisierte Kombination mit quantenmechanischen Optimierungen für Spezies und Übergangszuständen (QM), wird die Genauigkeit der Kinetik- und Thermodynamikvorhersagen erhöht. Basierend auf den auf quantenmechnischem Level optimierten Molekülgeometrien werden die thermodynamische Daten und mithilfe der Eyringtheorie Reaktionsratenkonstanten generiert. Eine schematische Progammstruktur ist in der Abbildung gegeben. Das Softwarepaket ist als open-source Software unter der MIT-Lizenz verfügbar. Der ChemTraYzer ist außerdem Bestandteil der kommerziellen Software Amsterdam Modeling Suite des Amsterdamer Untenehmens Software for Chemisty & Materials (SCM).

Derzeit setzen wir die Entwicklung des ChemTraYzer in drei Projekten fort:

  • In einem von der DFG geförderten Projekt (LE 2221/15-1) verwenden wir ChemTraYzer, um Herausforderungen in der Mechanismusentwicklung zu lösen, die mit traditionellen Ansätzen noch nicht gelöst werden konnten. Konkret untersuchen wir die Reaktionswege und Geschwindigkeitskoeffizienten der Acetaldehyd-Oxidation und der Bildung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAHs) bei der Verbrennung und Pyrolyse von n-Heptan. Wir haben den ChemTraYzer-Ansatz bereits um automatisch reoptimierte quantenmechanische Ratenkonstanten der Übergangszustandstheorie (TST) erweitert (siehe Abbildung) [2]. In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung haben wir einen rechnerisch effizienten Weg zur Verbesserung der Genauigkeit der Geschwindigkeitskonstanten aufgezeigt, indem wir Nicht-TST-Informationen aus den MD-Trajektorien und quantenmechanische TST-Ratenkonstanten kombiniert haben [6]. Da einige wichtige Zündprozesse wie die Niedertemperaturzündung zu langsam sind, um mit gewöhnlicher MD aufgedeckt zu werden, haben wir die Beschleunigungsmethoden "Pressure Accelerated Dynamics" [7] und "ChemTraYzer Temperature Accelerated Dynamics" [8] entwickelt, um die möglichen Simulationszeiten zu verlängern.

  • In Zusammenarbeit mit dem Laboratory of Aerosol Particle Technology der Universität Melbourne untersuchen wir den Prozess der beginnenden Rußbildung. Unter Verwendung von ReaxFF in MD-Simulationen untersuchen wir die Keimbildung von Rußvorläufern wie PAHs in der Gasphase sowie das Partikelwachstum durch Gas-Oberflächen-Reaktionen. ChemTraYzer ermöglicht die Erstellung eines Reaktionsnetzwerks und hilft bei der Suche nach Reaktionstypen, die für die Rußbildung wichtig sind. Dies erleichtert die Interpretation der rußbildenden Chemie und die Verwendung der Reaktionstypen in Modellen größeren Maßstabs.

  • Im Exzellenzcluster Fuel Science Center (FSC Grant No. EXC 2186/1) untersuchen wir die Herstellung und Verbrennung von unkonventionellen Biohybrid-Kraftstoffen in Größenordnungen, die von der atomistischen bis zur Geräteebene reichen. Wir setzen den ChemTraYzer ein, um neuartige Reaktionspfade zu entdecken, die notwendig sind, um das Zündverhalten und die Rußbildung neuartiger Kraftstoffe und ihrer Mischungen zu verstehen, damit wir Kraftstoffe mit langfristig verbesserten Eigenschaften entwickeln können. Hier ermöglicht ChemTraYzer die Ergänzung bestehender Mechanismen durch Vorschläge für neue, unkonventionelle Pfade.

[1] Döntgen et al., J. Chem. Theory Comput. 11 (2015), 2517-2524
[2] Döntgen et al., J. Chem. Inf. Model. 58 (2018), 1343-1355
[3] Kröger et al., JCTC 13 (2017), 3955-3960
[4] van Duin et al., J. Phys. Chem. A 105 (2001), 9396-9409
[5] Chenoweth et al. J. Phys. Chem. A 112 (2008), 1040-1053
[6] Schmalz et al. ACS Omega. 5(5), (2020), 2242–2253
[7] Krep et al. Chem. Systems Chem. 2 (2020), e1900043
[8]
Krep et al., J. Chem. Inf. Model. 62 (2022), 890-902

 

Projektdetails

Förderer

DFG, LE 2221/8-1
EU, MSCA-ITN-EID 814143. “AutoCheMo”
Cluster of Excellence, „Fuel Science Center“

Download

Der ChemTraYzer ist kostenlos verfügbar unter:
https://sourceforge.net/projects/chemtrayzer/