Entwicklung der prädiktiven Zustandsgleichung

Ansprechpartner

Raßpe-Lange, Lukas © Urheberrecht: Lehrstuhl fuer Technische Thermodynamik der RWTH Aachen

Name

Lukas Raßpe-Lange

Modellierung und Design molekularer Systeme

Telefon

work
+49 241 80 98191

E-Mail

E-Mail
 

Zustandsgleichungen sind wichtige Werkzeuge zur Gestaltung Energie- und Verfahrenstechnischer Prozesse mit einem besonders breiten Anwendungsbereich. In der Verfahrenstechnik finden Zustandsgleichungen beispielsweise Anwendung bei der Auslegung von Trenn- und Reaktionsprozessen, sie können aber auch in der Energietechnik für das Design von Kältemitteln oder Kompressionswärmepumpen genutzt werden. Bei der Anwendung von Zustandsgleichungen lassen sich aus wenigen stoffspezifischen Parametern eine Vielzahl von thermodynamisch relevanten Stoffgrößen berechnen. In der Praxis werden diese stoffspezifischen Parameter in der Regel experimentell bestimmt, wodurch teils hohe Kosten entstehen. Daher werden bei der Auslegung neuer Prozesse oft nur Stoffe berücksichtigt, bei denen die Parameter der Zustandsgleichung bekannt sind. Ziel dieses Projektes ist eine prädiktive Zustandsgleichung zu entwickeln, bei der die stoffspezifischen Parameter aus molekularen Deskriptoren berechnet werden. Diese Deskriptoren lassen sich mittels Quanten-Mechanischen (QM) Berechnungen bestimmen. Diese Vorhersagemethode wird mithilfe der PCP-SAFT (Perturbed-Chain Polar Statistical Associtating Fluid Theory) Zustandsgleichung entwickelt und validiert. Allerdings soll die Methodik nicht nur auf diese Zustandsgleichung anwendbar sein, sondern als Konzept allgemein auf segmentbasierte Zustandsgleichungen anwendbar sein.

 

Parametervorhersage

Im Rahmen dieses Projektes wird ein Modell entwickelt, um die stoffspezifischen Parameter einer Zustandsgleichung auf Basis von QM Rechnungen zu bestimmen. Zunächst wurden dabei Stoffe gewählt, die keine Wasserstoffbrückenbindungen bilden (1, 4). Das Modell wurde für eine Studie zur Vorhersage der Löslichkeit verschiedener Arzneimittel verwendet (2). In einer weiteren Studie wurde das Modell erweitert, um durch Vorhersage der Oberflächenspannung neue Kandidaten für Biokraftstoffe zu bewerten. Dabei wurde ein voll prädiktives Modell und ein 1-Parameter Modell, dass den experimentell bestimmten Normalsiedepunkt zur Anpassung der Parameter nutzt, evaluiert (3). Der Normalsiedepunkt eines Stoffes lässt sich mit vergleichsweise wenig Aufwand bestimmen. Das Modell zu Parametervorhersage ist momentan nur auf Moleküle anwendbar die aus Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff bestehen. Allerdings ermöglicht das Modell eine beliebige Anordnung dieser Atome und lässt damit einen deutlich größeren Anwendungsbereich als Gruppenbeitragsmethoden zu. Da die molekularen Deskriptoren der Moleküle mittels ab-initio Berechnungen bestimmt werden, ist lediglich die Strukturinformation der Moleküle als Eingangsgröße notwendig.

 

Strategien zur Verbesserung des Modells für eine prädiktive Zustandsgleichung

Schematische Darstellung der SEPP Methode Urheberrecht: © Lehrstuhl fuer Technische Thermodynamik der RWTH Aachen

Um die Qualität der Vorhersage des Modells zu verbessern wurden mehrere Strategien erforscht. Ein Ansatz ist es, neben den molekularen Deskriptoren einen minimalen Satz an experimentellen Daten zu nutzen um die Vorhersage an diese Daten anzupassen (6). Es konnte gezeigt werden das bereits die Verwendung weniger experimenteller Daten die Güte der Vorhersage stark verbessert. Da vor allem für neuartige Moleküle oft gar keine Daten vorliegen ist ein zweiter Ansatz zur Verbesserung, zwei prädiktive Stoffmodelle zu verbinden. In einer zugehörigen Studie wurden Daten aus dem Conductor-like Screening Model for Real Solvents (COSMO-RS) mit dem Modell für eine prädikative Zustandsgleichung verbunden (6).Daraufhin wurden die Erkenntnisse aus vorherigen Studien vereinigt um das SEPP (Segment-based Equation of state Parameter Prediction) Modell zu entwickeln (7). SEPP bestimmt die Geometrie-, Dispersions- und Polaritäts-parameter analog zu Vorgängermodellen. Der Ablauf der Parametervorhersage ist schematisch in Figur 1 dargestellt. Mithilfe von QM Rechnungen (blau) werden mehrere molekulare Deskriptoren bestimmt. Einer dieser Parameter, die Elektronendichte, wird dann als Eingangsgröße für ein Geometriemodell (orange) genutzt, das zusätzliche Strukturparameter berechnet. Zuletzt sagt ein multi-lineares Modell (grün) dann aus den bestimmten Hilfsgrößen und Deskriptoren drei der fünf PCP-SAFT Parameter vor. Der Parameter zur Berechnung von polaren Wechselwirkungen lässt sich direkt aus QM Rechnungen ableiten. Für die Bestimmung von assoziativen Wechselwirkungen wurde ein neuer Ansatz basierend auf der Oberflächenladungsdichte entwickelt. Wasserstoff Donor- und Akzeptor-Stellen werden identifiziert und die Stärke eines Paares mittels eines Parametes beschrieben.

 

Aktuelle Arbeit

Unser momentaner Fokus liegt darauf, SEPP für verschiedene Systeme und molekulare Gruppen zu validieren. SEPP wurde unter Berücksichtigung von Reinstoffen ohne oder nur mit einer einzelnen funktionellen Gruppe entwickelt. Momentan evaluieren wir die Qualität der Vorhersage für Reinstoffe mit mehreren funktionellen Gruppen und den Einfluss von Konformeren.
Die nächsten Schritte beinhalten zu prüfen wie gut SEPP auf Mischungen mit selbst-assoziierenden Komponenten und Mischungen mit induzierter Assoziation angewendet werden kann. Wir erhoffen uns damit auszuleuchten worin die Stärken und Schwächen der SEPP Methode liegen und mögliche Verbesserungen zu identifizieren.

 

Publikationen

(1) Van Nhu Nguyen, Mahendra Singh und Kai Leonhard, Feelly Ruether, Kai Leonhard und Gabriele Sadowski
Quantum Mechanically Based Estimation of Perturbed-Chain Polar Statistical Associating Fluid Theory Parameters for Analyzing Their Physical Significance and Predicting Properties.
The Journal of Physical Chemistry B, 112(18):5693-5701, 2008.

(2) Jan Cassens, Feelly Ruether, Kai Leonhard und Gabriele Sadowski
Solubility calculation of pharmaceutical compounds – A priori parameter estimation using quantum-chemistry
Fluid Phase Equilibria, 299(1): 161 - 170, 2010.

(3) Alexander von Müller and Kai Leonhard
Surface Tension Calculations by Means of a PCP-SAFT-DFT Formalism Using Equation of State Parameters from Quantum Mechanics
Fluid Phase Equilibria, 356: 96-101, 2013.

(4) Muhammad Umer, Katja Albers, Gabriele Sadowski and Kai Leonhard
PC-SAFT parameters from ab-initio calculations
Fluid Phase Equilibria, 362(41-50) 2014.

(5) Sebastian Kaminski, André Bardow, and Kai Leonhard
The trade-off between experimental effort and accuracy for determination of PCP-SAFT parameters
Fluid Phase Equilibria, 428:182-189, 2016

(6) Sebastian Kaminski, Evagelos Kirgios, André Bardow, and Kai Leonhard
Improved Property Predictions by Combination of Predictive Models
Industrial Engineering Chemistry Research, 56(11):3098-3106, 2017

(7) Sebastian Kaminski and Kai Leonhard
SEPP: Segment-Based Equation of State Parameter Prediction
Journal of Chemical & Engineering Data, 65 (12), 5830-5843, 2020